Achtsamkeit
“Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein; bewusst im gegenwärtigen Augenblick, ohne zu urteilen.”
— Jon Kabat-Zinn („Im Alltag Ruhe finden“)
Im Hier und Jetzt sein
Bei der Anwendung von Achtsamkeit lenken wir absichtsvoll unsere Aufmerksamkeit auf das, was von Moment zu Moment in unserem Geist, unserem Körper und in unserem Leben auftaucht. Es geht darum, wirklich anwesend zu sein, statt uns in Gedanken über die Zukunft (Pläne, Fantasien und Sorgen) zu verstricken oder von Erinnerungen an die Vergangenheit eingenommen zu werden. Indem wir aus dem Gedankenkarussel oder dem Hamsterrad der Geschäftigkeit heraustreten, vermeiden wir die Verschwendung wertvoller Energie und Zeit, die wir in unsere Heilung und Lebensfreude investieren könnten. So können wir wieder stärker mit uns und dem Leben in Kontakt kommen. Schritt für Schritt.
Akzeptanz, Freundlichkeit und Offenheit
Unser Geist ist ganz natürlich darauf geeicht, alles Mögliche zu bewerten. Je nachdem, wie die Bewertung ausfällt, neigen wir dazu, Dinge anders haben zu wollen als sie sind oder an etwas festzuhalten, was man nicht festhalten kann. Mitunter kann uns das das Leben ganz schön schwer machen. Wir alle kennen solche Momente. Da will man einen „schönen“ Spaziergang machen und unser Geist sagt uns, dass ein Spaziergang dann „schön“ ist, wenn die Sonne scheint. Wenn diese Erwartung dann nicht eintrifft, können wir enttäuscht oder genervt reagieren. Vielleicht bleiben wir auch ganz zu Hause. Doch wer weiß, was wir „Schönes“ gesehen hätten, wenn wir uns davon frei gemacht hätten und wirklich mit offenem Blick durch den Park spaziert wären.
Erwartungen und Vergleiche prägen auch unseren Blick auf uns selbst: unser Äußeres, unsere Fähigkeiten und Intelligenz, unsere Lebensumstände. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Dies führt allzu oft dazu, dass wir uns kritisieren oder in Ängsten und Sorgen verlieren. Gerade in schwierigen Momenten leiden unser Wohlbefinden und unsere Handlungsfähigkeit zusätzlich unter solchen Mustern. Wenn wir dem, was wir erleben, so oft es geht mit Offenheit und Akzeptanz begegnen, lernen wir auch uns selbst mehr Verständnis entgegenzubringen und wirksamer zu handeln.
Was lernen wir durch Achtsamkeit?
Mit einer interessierten Grundhaltung vertiefen wir das Verständnis über unsere inneren Reaktionen und automatischen Verhaltensmuster und können neue Strategien ausprobieren. Statt zum Beispiel im Affekt etwas zu sagen, was wir womöglich im Nachhinein bereuen, lernen wir innezuhalten und einen Raum zu schaffen, in dem wir uns trotz schwieriger Gefühle bewusst für ein Verhalten entscheiden können, das uns später nicht noch mehr Sorgen bereitet. Vielleicht heißt das auch, nicht auf jede Bitte oder Forderung mit „Ja“ zu antworten, sondern zu spüren, wenn wir dem gerade nicht nachgehen können (oder wollen) und dann gemeinsam zu einer Lösung zu kommen, die auch den eigenen Bedürfnissen Platz einräumt.
Indem wir aus Verhaltensmustern und automatischen Reaktionen für einen Moment heraustreten, erlangen wir Stück für Stück mehr Freiheit in unserem Alltag. Wir werden von äußeren Ereignissen nicht hin und her geworfen wie auf rauer See, sondern lernen flexibel mit den Wellen mitzugehen und dabei das Steuer in der Hand zu führen.
Achtsamkeit kann uns zudem lehren, auf die Signale unseres Körpers und Geistes zu hören, um früher wahrzunehmen, wenn wir erschöpft sind oder unter Druck geraten. So können wir mit Selbstfürsorge entgegenwirken, bevor wir “am Limit” sind und nur schwer wieder auf die Beine kommen. Davon profitieren nicht allein wir, sondern auch die Menschen und Vorhaben, die uns am Herzen liegen.
So fern uns diese Art der urteilsfreien Aufmerksamkeit auch in manchen Momenten erscheinen mag. Wir alle tragen diese Qualität bereits in uns. Es geht lediglich darum, sie zu kultivieren. Niemand muss “repariert” werden. Genau, wie wir unsere Muskeln durch Training stärken, können wir es mit unserem Geist tun. Je häufiger wir Achtsamkeit aktiv anwenden, desto öfter kann sie ihre Kraft auch ganz spontan im Alltag entfalten. Über die Zeit kann sich dadurch unsere Haltung zu uns selbst und unseren Erfahrungen bedeutend verändern.
Die Essenz ist wohl, dass wir unser Leben in einer achtsamen Haltung wirklich leben und bewusster gestalten können, statt es an uns vorbeiziehen zu lassen. All die wertvollen, kleinen Momente des Alltags wahrzunehmen, kluge Entscheidungen zu treffen und mit dem sein zu können, was sich uns gerade präsentiert - auch dann, wenn es schwierig ist.
Ein Training, das pragmatische Methoden zur Integration von Achtsamkeit in den Alltag ermöglicht und besonders umfangreich erforscht wurde, heißt MBSR:
“Zehntausend Blumen im Frühling, der Mond im Herbst, eine kühle Brise im Sommer, Schnee im Winter. Wenn dein Geist nicht durch Unnötiges getrübt wird, ist dies die beste Jahreszeit Deines Lebens.”
— Wumen Huikai